Künstliche Intelligenz ist seit Monaten in aller Munde. Sie vereinfacht viele Prozesse, erledigt schon jetzt wichtige Aufgaben und wird stetig weiterentwickelt. AI-Lösungen wie Chat GPT können schon jetzt die Arbeit von Menschen in einem gewissen Maße übernehmen und sogar überflüssig machen. Aber gilt das auch für DJs?
So wird KI die Arbeit von DJs verändern
Zunächst einmal kann KI die Arbeit von DJs erheblich erleichtern. Man denke nur an die klassische Vorbereitung auf einen Hochzeits-Gig. Das Brautpaar schickt dem DJ im Vorfeld eine Liste mit Liedern zur Inspiration. Bis jetzt hat der DJ sich diese Liste angesehen und dann nach Gefühl weitere Musik ausgewählt, die den Geschmack des Brautpaars treffen könnte. Hier kann künstliche durchaus unterstützen und passende Lieder vorschlagen, die der DJ ergänzend zu den Lieblingsliedern des Brautpaars spielen könnte.
Song-auswahl durch KI: Beispiel gefällig?
Hier 15 Musikwünsche, die mir im Vorfeld einer Hochzeit mitgeteilt wurden:
- Avicii - Wake me Up
- Black Eyed Peas - Hey Mama
- The Jet - Are You Gonna Be My Girl
- Justice - We Are Your Friends
- CHIC - Le Freak
- Elvis Crespo - Suavemente
- Daft Punk - Get Lucky
- Lee Cabrera - Gimme Gimme
- Baha Men - Who Let The Dogs Out
- Daddy Yankee - Gasolina
- Snoop Dogg - Drop It Like It's Hot
- Queen - Don't Stop Me Now
- Michael Jackson - Billie Jean
- Kelis - Milkshake
- Icona Pop - I Love It
Wenn ich nun ChatGPT bitte, die Liste um 35 passende Titel zu erweitern, erhalte ich folgende Ergänzungen:
- Mark Ronson feat. Bruno Mars - Uptown Funk
- Outkast - Hey Ya!
- Beyoncé - Crazy In Love
- Rihanna - We Found Love
- Pharrell Williams - Happy
- LMFAO - Party Rock Anthem
- Britney Spears - ...Baby One More Time
- Destiny's Child - Say My Name
- Jennifer Lopez - Let's Get Loud
- Shakira - Whenever, Wherever
- Christina Aguilera - Genie In A Bottle
- NSYNC - Bye Bye Bye
- Backstreet Boys - Everybody (Backstreet's Back)
- Spice Girls - Wannabe
- Will Smith - Gettin' Jiggy Wit It
- MC Hammer - U Can't Touch This
- Vanilla Ice - Ice Ice Baby
- Toni Braxton - Un-Break My Heart
- Celine Dion - My Heart Will Go On
- Whitney Houston - I Will Always Love You
- TLC - Waterfalls
- En Vogue - Don't Let Go (Love)
- Janet Jackson - Rhythm Nation
- Madonna - Vogue
- Prince - 1999
- George Michael - Faith
- Culture Club - Karma Chameleon
- A-Ha - Take On Me
- The Bangles - Walk Like An Egyptian
- Michael Sembello - Maniac
- Cyndi Lauper - Girls Just Want To Have Fun
- Bon Jovi - Livin' On A Prayer
- Guns N' Roses - Sweet Child O' Mine
- Nirvana - Smells Like Teen Spirit
- Pearl Jam - Alive
Schöne Musikauswahl, oder? Bis auf ein paar wenige Ausnahmen kann ich mir durchaus vorstellen, die von der künstlichen Intelligenz vorgeschlagenen Lieder - ergänzt durch eine eigene Auswahl - auf einer Hochzeit zu spielen. Die Betonung liegt hierbei auf "bis auf ein paar wenige Ausnahmen". Passend dazu ein schönes Zitat:
"Einen guten DJ erkennt man an den Liedern, die er nicht spielt."
Die künstliche Intelligenz hat keine Ahnung, wie die Stimmung vor Ort ist. Im Leben würde ich nicht auf die Idee kommen, einer Tanzfläche voll feierwütiger Hochzeitsgäste "My Heart Will Go On" von Celine Dion aufzutischen - die Tanzfläche wäre wahrscheinlich blitzschnell leer. Hier fehlt es der KI an Einblicken vor Ort. Das berühmte "Crowdreading", also das Lesen von Tanzflächen, das erfahrene DJs auszeichnet, kann die KI aus der Ferne selbstverständlich nicht übernehmen. Würde ein DJ die vorgeschlagene Liste einfach durchspielen, bestünde das Risiko, dass die Musik nicht zur aktuellen Stimmung auf der Tanzfläche passt. Trotzdem sind Tools wie Chat GPT nützliche Werkzeuge, die bei der Musikauswahl ergänzend zum Wissen und der Erfahrung des DJs helfen können.
Natürlich gibt es bei der Vorbereitung von DJ-Sets und bei der Pflege von DJ-Musikbibliotheken auch Aufgaben, die künstliche Intelligenzen schon jetzt übernehmen können. So ist es bereits möglich, eine KI Songs analysieren und nach Genres, Epoche, Tempo und Tonart kategorisieren zu lassen. Zudem sind die meisten Lieder nicht in der gleichen Lautstärke aufgenommen. Auch hier kann eine KI dem DJ helfen, die Lautstärken der Tracks in seiner Musiksammlung auf ein einheitliches Niveau zu bringen.
Wer sich etwas mit künstlichen Intelligenzen beschäftigt, wird aber feststellen, dass die KI auch mal falsch liegt. So hat ChatGPT mir gegenüber behauptet, dass Blinding Lights von The Weekend mit einem Tempo 128 Beats pro Minute läuft. Der Track hat aber 171 bzw. 85,5 BPM (je nachdem wie schnell man zählt). Beide Werte sind korrekt, allerdings hat sich die KI, die sich wohl nicht ganz sicher war, einfach für den Durchschnitt aus beiden Zahlen entschieden. Und der ist sowas von falsch. Verlässt sich der DJ auf den Wert der KI, geht der Übergang komplett in die Hose. Denn für einen sauberen übergang muss der DJ das exakte Tempo der leider kennen, um die Geschwindigkeit der verschiedenen Beats angleichen zu können.
Dieses Beispiel zeigt, dass nach wie vor der DJ die letzte Instanz sein muss und man auch in diesem Bereich die Informationen, die die KI ausspuckt, kritisch hinterfragen muss. Die Ergebnisse der KI sind also (noch) nicht zuverlässig genug, um sich zu 100% auf sie verlassen zu können.
Wird die KI den DJ ersetzen?
Erstmal nicht. Noch ist die KI vergleichbar mit einem schlechten bis mittelmäßigen DJ, der viele Anfängerfehler macht und null Erfahrung im Crowdreading hat. Aber die Entwicklungen auf dem Gebiet sind rasant und es ist nicht auszuschließen, dass es schon bald KI-gestützte Lösungen gibt, die die Arbeit von DJs ersetzen können.
Stellt euch eine App vor, die Zugriff auf eine riesige Musikdatenbank mit allen erdenklichen Liedern hat. Gäste einer Feier können sich nun per Handy mit dieser App verbinden, so dass die App demografische Informationen wie Alter, Herkunft und Geschlecht, sowie die Hörgewohnheiten der Gäste aus Apps wie Spotify, Apple Music & Co. auslesen kann. Anhand dieser Daten wählt die App dann Musik aus, die den Gästen gefallen könnte. Basierend auf Smartphone-Bewegungsdaten der Gäste und/oder auf die Tanzfläche gerichteten Kameras und Mikrofonen erkennt die App zudem, ob und wie ausgelassen gefeiert wird bzw. wer gerade auf der Tanzfläche ist und passt die Musikauswahl dementsprechend an die Stimmung an.
Das klingt jetzt erstmal nach gruseliger Science-Fiction, aber genau so könnte das schon bald laufen. Sämtliche oben beschriebene Technologien sind bereits vorhanden. Man müsste sie nur verfeinern und entsprechend miteinander kombinieren.
Bleiben noch die Übergänge: Auch da gibt es schon automatische Lösungen, die qualitativ ähnliche Übergänge liefern, wie ein mittelmäßig geübter DJ. Als Beispiel nenne ich mal die Automix-Funktion der DJ-Software DJay Pro AI (die das AI ja schon im Namen hat). Die mixt weitestgehend saubere, oft aber auch eher unkreative Übergänge.
Es wird trotzdem noch djs geben
Sollte das Schreckensszenario einer kompletten und auch brauchbaren KI-Lösung eintreten, wird es sicher eng für viele DJs. Denn vermutlich werden sich nur DJs im Premium-Bereich halten können. Hier ist "Handarbeit" das Zauberwort.
Wie das laufen wird, zeigt der Automarkt. Hier gibt es seit über 100 Jahren überwiegend automatisiert hergestellte Massenware von VW, Toyota & Co. Trotzdem existiert ein kleiner Markt für Premium-Hersteller, wie zum Beispiel Rolls Royce, die nach wie vor weitestgehend von Hand fertigen. Der Rolls Royce ist zwar deutlich teurer, aber für seine Käufer übersteigt der Wert des Produkts den Preis - unter anderem wegen der hochwertigen Handarbeit.
Natürlich kommen auch beim Rolls Royce Maschinen und Fließbänder zum Einsatz. Aber die Aufgaben, die ein Mensch besser erledigen kann, als eine Maschine, werden vom Menschen übernommen, auch wenn das mehr kostet. Und viele Verbraucher sind bereit, diesen Aufpreis auch zu bezahlen, weil sie sich von der Handarbeit eine höhere Qualität versprechen. Zudem strahlt ein handgefertigter Rolls Royce deutlich mehr Glamour aus, als ein industriell gefertigter Mittelklasse-Kombi.
Ganz ähnlich wird es sich wohl schon bald bei den DJs verhalten. Am Ende werden die DJs überleben, die die KI nutzen, wo sie hilft, und die KI dort übertreffen, wo sie ihre Schwächen hat. Wer KI bei der Vorbereitung seiner Sets nutzt, kann damit viel Zeit sparen und stattdessen seine Mixing-Techniken perfektionieren. Zudem können AI-Featrues wie das automatische entfernen oder isolieren von Gesang oder Instrumenten helfen, kreativer zu mixen. Wer seine Musiksammlung KI-gestützt aufgeräumt und sortiert hat, verbringt beim Gig weniger Zeit damit, nach passenden Liedern zu suchen und kann besser mit den Gästen interagieren und auf ihre Stimmung reagieren.
Auf lange Sicht werden wahrscheinlich nur die DJs erfolgreich sein, die es schaffen, sich als Rolls Royce zu positionieren. Sie müssen besser sein, als die KI und den Gästen im Vergleich zu reinen KI-Musiklösungen einen echten Mehrwert bieten. Auf die Golfs oder Astras unter den DJs werden früher oder später aber schwierige Zeiten zukommen.
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Dino (Montag, 06 November 2023 06:03)
Wenn das so wäre, frage ich mich, warum es trotz Cocktail-Maschinen noch Barkeeper hinter'm Tresen gibt?
Ein Maschine kann eines niemals ersetzen: Mesnchliche Interaktion und Gefühle. Und genaus darum wird es immer DJ's geben.
Felix Krüger (Samstag, 11 November 2023 22:41)
Dann sind wir ja einer Meinung, Dino! Wie ich schon geschrieben habe: Es wird immer Leute gebe, die ehrliche Handarbeit zu schätzen wissen :)